Fünfundzwanzig Jahre Jona-Kirche
Im Februar 2011 wird es die Jona-Kirche seit 25 Jahren geben! Betrachten wir aus diesem Anlass die rasante Entwicklung der Gemeinde in Wachtendonk.
Vor dem Zweiten Weltkrieg wurde in Wachtendonk die Handvoll Evangelische gesellschaftlich gar nicht wahrgenommen. Wer aus Wachtendonk kirchliche Dienste in Anspruch nehmen wollte, musste „schon immer“ nach Niederdorf bzw. nach Straelen gehen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen auch nach Wachtendonk viele Vertriebene und Flüchtlinge. Die Erinnerungssteine im Vorplatz der Straelener Kirche nennen uns heute ihre Herkunftsgebiete. Im Jubiläumsbuch „150 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Straelen-Wachtendonk“ beschreibt Herr Färber: „Der größte Teil der Vertriebenen war evangelisch. Wachtendonk wuchs in den Jahren der Flucht und Vertreibung um 750 Neubürger. Unter diesen befanden sich rund 500 Evangelische. Ähnlich war es in Straelen, Wankum und Herongen.“ (S. 85). Anfangs wurden in Wachtendonk Gottesdienste in geliehenen Räumen im Jugendheim oder in Klassenräumen der katholischen Schule gehalten. 1952 wurde an der Nette eine erste kleine Kirche aus Holz in Fertigbauweise aufgestellt. Heute steht sie nicht mehr dort. Nach 34 Jahren (1986) wurde sie wieder in Einzelteile zerlegt und an die katholische St. Bonifatius Gemeinde in Hagen-Haspe verkauft (oder verschenkt). Dieser Gemeinde dient sie heute als „Lioba-Kapelle“.
Mitte der 70er Jahre wurde die neue A40 Richtung Venlo gebaut. Es war klar, dass dadurch auch in Wachtendonk die Bevölkerung, und eben auch ihr evangelischer Anteil, wachsen würde. So wurde im Wachtendonker Neubaugebiet das heutige Gemeindezentrum gebaut und am 16. Februar 1986 eingeweiht. Zum Gemeindezentrum wurde auch ein Pfarrhaus gebaut. Und erst in diesem Jahr, mit einem Festakt am 13. Juli 1986, bekamen die drei Kirchen der Gemeinde Straelen-Wachtendonk auch ihre Namen: Jona-Kirche, Dietrich-Bonhoeffer-Kirche und Johanneskirche.
Seit dem Neubeginn nach 1945 leitet ein gemeinsames Presbyterium mit Mitgliedern aus allen drei Gemeindeteilen das Gemeindeleben. Die drei Gemeindeteile Straelen, Niederdorf und Wachtendonk wurden bis 1991 von nur einer Pfarrstelle betreut, allerdings half seit 1982 Herr Steinke als Prädikant (früher Hilfsprediger) mit. Erst 1991 hat die evangelische Gemeinde Straelen-Wachtendonk für ihren zweiten Schwerpunkt Wachtendonk auch eine zweite Pfarrstelle bekommen. In diese zweite Stelle wurde Frau Pfarrerin Stürmlinger gewählt. Sie ist bis heute die eigene Pfarrerin der Wachtendonker Gemeinde. Ihre kluge, phantasievolle, kraftvolle Arbeit prägt deutlich und erfolgreich das Gemeindeleben.
Manfred Rose
Evangelisch in Wachtendonk,
- ein langer Weg zur ersten Kirche
Es sah so aus, als ob der evangelische Glaube sehr früh in Wachtendonk eine Heimat finden würde. Im 80-jährigen Krieg, in dem die katholischen Spanier gegen die reformierten Niederländer um den „wahren Glauben kämpften“, berichtete der Prädikant Engelbert Faber dem niederländischen Statthalter, dem Grafen von Nassau, in einem Brief vom 17. Oktober 1578, dass die Städte Geldern und Wachtendonk das reformierte Bekenntnis angenommen hätten. Mit der Kompanie des Gerrit de Jonge kam der Prädikant Peter Hackius aus Leiden nach Wachtendonk. Im Jahre 1582 wurde dann die Religionsfreiheit für Katholiken aufgehoben. Der reformierte Glauben wurde als allein berechtigt anerkannt. 1583 wurden alle Altäre und Bilder der Kirche vernichtet. Die Nikolauskapelle an der Schlot wurde zerstört. Bei der Renovierung der Wachtendonker Pfarrkirche kamen 1874 unter der weißen Tünche Inschriften aus dieser Zeit zum Vorschein. Darunter fanden sich Bibelstellen „von den Machern der Bilder und Götzen … Die Götzenmacher sind allzumal eitel … darum müssen sie zu Schanden werden. 1586“ Es war nur ein kurzes Zwischenspiel von 1578 - 1588. Die Spanier eroberten Wachtendonk zurück. In den nächsten 120 Jahren spanischer Herrschaft duldeten sie keine Protestanten.
Wir hören erst 1845 bei der Gründung der Gemeinde Niederdorf von Evangelischen in Wachtendonk, einem Friedensrichter und dem Arzt Dr. Frankenberg. Ganz selbstverständlich besuchten sie die Kirche in Niederdorf. Weite Wege zum Gottesdienst gehörten zum Leben in der Diaspora. Das galt auch für den Pastor. Um 1900 berichtet Pfarrer Cürlis vom sonntagnachmittäglichen Fußmarsch von Niederdorf durch die Wälder entlang der Krickenbecker Seen bis nach Lobberich, um dort Gottesdienst zu halten. Im fast rein katholischen Wachtendonk gab es 1878 sogar einen evangelischen Bürgermeister Pabst. Das war möglich, weil der Bürgermeister nicht von der katholischen Einwohnerschaft gewählt, sondern von der Regierung in Düsseldorf ernannt wurde. Über lange Zeit änderte sich nicht viel an der Zahl der Evangelischen in Wachtendonk. Wie viele es genau waren, wusste man nicht. „Eine ganz genaue Feststellung der Seelenzahl ist ganz besonders dadurch erschwert, dass viele der katholischen Landwirte vor ihren Nachbarn nicht wissen wollen, dass ihre Knechte und Mägde evangelisch sind.“ schrieb Pastor Heesen in einem Brief an den Superintendenten.
Schon bald nach seinem Amtsantritt 1934 richtete Pfarrer Quaas in Wachtendonk einen evangelischen Gottesdienst ein. Die Gemeindeverwaltung stellte ihm einen Raum im Erdgeschoss des Rathauses zur Verfügung. Es blieb beim Versuch. Nach etwa einem Jahr wurde der Gottesdienst mangels Besuchern eingestellt.
Sonntags in der alten Schule.
Die Lage der Gemeinde änderte sich nach Ende des 2. Weltkriegs. Flüchtlinge und Vertriebene kamen nach Wachtendonk. Die meisten der in Wachtendonk untergebrachten waren evangelisch. „Not lehrt beten“, sagt ein altes Sprichwort, und die Not war groß. Es kamen viele zum Beten in den sonntäglichen Gottesdienst.
Durch die Mithilfe der katholischen Gemeinde fanden seit dem 20.10.1946 evangelische Gottesdienste im katholischen Jugendheim statt. Später stellte die Stadt dafür den größten Klassenraum der katholischen Schule zur Verfügung. Diese Behelfe konnten bei dem großen Andrang nicht befriedigen. Jeden Sonntag fanden sich 120 -150 Gottesdienstbesucher ein. Pastor Schauss und das Presbyterium suchten nach Möglichkeiten für einen Kirchenbau. Das erste Problem war der Erwerb eines Grundstücks. „Dabei war dem Presbyterium klar, dass bei der gerade in den beiden Orten Wankum und Wachtendonk zu Tage tretenden ablehnenden Haltung der katholischen Bevölkerung gegenüber den Evangelischen es sehr schwer halten werde, überhaupt ein Grundstück zu erwerben, auf dem einmal ein Gemeindezentrum entstehen könne.“
Das Grundstück sollte 4500 DM kosten (August 1950). Die Gemeinde hatte 1000 DM gespendet. Hilfen anderer Gemeinden ermöglichten den Kauf. Bedingung des Verkäufers war Barzahlung.
Interessant ist, dass schon bei der Planung nicht von einer Kirche, sondern von einem Gemeindezentrum die Rede ist. In größeren Gemeinden gab es schon lange vor dem 2. Weltkrieg Gemeindehäuser mit unterschiedlichen Räumen für Gruppen. In der Gemeinde Niederdorf mit ihren Diasporastrukturen kam beispielsweise die Jugendgruppe im Pfarrhaus zusammen. Selbstverständlich traf sich auch das Presbyterium dort. Die größere Gemeinde hatte umfangreichere Bedürfnisse. Die Mitgliederzahl unterschiedlichster Gruppen wuchs stark. Man blieb unter sich. Das katholische Umfeld blieb den Vertriebenen vielfach fremd.
Als Möglichkeit zum Bau eines Gemeindezentrums bot sich ein standardisierter Holzbau, eine „Bartningsche Notkirche“ an. Der weithin bekannte Architekt Professor Bartning hatte für den Ersatz der vielen im Kriege zerstörten Kirchen eine vorgefertigte Holzkirche entworfen. „Notkirche“ stand nicht für notdürftig. Als „echte Kirchen der geistigen und materiellen Not“ (Bartning) sollten sie entstehen. Er war als Architekt vom evangelischen Glauben geprägt. Schlichtheit und Funktionalität sollten auch den kirchlichen Raum bestimmen. Diese Holzkirchen wurden in ihren tragenden Teilen vorgefertigt, von Fachhandwerkern aufgebaut, aber durch Selbsthilfe der Gemeinden fertiggestellt.
Als sich nach der Währungsreform in den großen Gemeinden die finanziellen Verhältnisse schnell besserten, ging die Nachfrage nach diesen Notkirchen schnell zurück.
Was blieb, war der Bedarf an Diasporakapellen in den neu entstandenen Flüchtlingsgemeinden mit sehr beschränkten finanziellen Mitteln. Bartning änderte und verkleinerte seinen Entwurf. Bis ins Detail fertigte man jetzt diese Diasporakapellen vor. Das Evangelische Hilfswerk organisierte diese Fertigung. Ausländische Kirchen halfen finanziell. Der Kirchenraum konnte durch verschließen der Altarnische zum Gemeindesaal werden. Es gab einen abgetrennten Raum für Jugend- und Gemeindearbeit. Teeraum und Abstellraum wurden leicht vergrößert zur Notwohnung für die Katechetin ausgebaut. Weniger als 200 Plätze bot diese Kapelle bei voller Nutzung. Insgesamt wurden in Deutschland 48 dieser Diasporakapellen aufgestellt. In der Nachbarschaft fanden sich solche Bauwerke in Kevelaer und in Vorst. Beide gibt es nicht mehr.
Bei den reduzierten Mitteln der Gemeinden war die Akzeptanz für solche vielfach zu nutzenden Baulichkeiten sicherlich auch höher als für reine Kirchenbauten. Der Gottesdienst in seiner reformierten Prägung kam immer ohne „Kirche“ aus. Sein Leitbild war das Bethaus zur Wortverkündigung. Eine gegenüber der katholischen Kirche, aber auch gegenüber den Lutheranern stark reduzierte Liturgie kommt dem entgegen.
Bei allen Unterschieden des neuen Gemeindezentrums zum alten Holzbau hat sich die Idee des integrierten Gemeindezentrums erhalten. Der Zeitgeist hat die Gemeinden verändert. Der Service für die Gemeindeglieder tritt immer mehr in den Vordergrund.
Wilfried Färber
Die ersten Gottesdienste nach dem Krieg wurden im katholischen Jugendheim, danach in der katholischen Schule abgehalten.
Ca. 1950 wurde eine Notkirche nahe der Nette errichtet.
1986 wurde das Gemeindezentrum mit der Jona - Kirche eingeweiht.
Hier ein paar Hinweise zum Namen "Jona".
die Orgel
das Labyrinth
Jona und der Walfisch
Quelle: Wilfried Färber, Die Geschichte der Evangelischen Gemeinde Straelen-Wachtendonk gegründet in Niederdorf, aus: 150 Jahre Evangelische Kirchengemeinde Straelen-Wachtendonk, Festschrift, Straelen 1995